FairTrade Town Sigmaringen

Täglich konsumieren wir sie und in der Weihnachtszeit besonders gerne. Die Rede ist von der sündigen Schokolade. Der Rohstoff, die Kakaobohnen, wachsen auf der Südhalbkugel unter dafür günstigen Anbaubedingungen. Doch der Preis für unseren Konsum ist hoch: Gerade auf Kakaoplantagen arbeiten viele Menschen – darunter auch sehr viele Kinder – unter unwürdigen Arbeitsbedingungen. „Bis zu 15 Stunden tägliche Arbeit statt Schulbesuch ist für viele Kinder hier an der Tagesordnung“, erzählt Birgit Mayer vom in Köln ansässigen Verein Transfair (dem deutschen Ableger von Fair-Trade) beim Besuch in Sigmaringen.

Die Elfenbeinküste sei das Kakaoland schlechthin. Die Ernte geschehe meist händisch, Maschineneinsatz ist kaum möglich. Verletzungen durch Macheten bei der Ernte kommen regelmäßig vor, Krankheiten durch Giftstoffeinsatz seien ein riesiges Problem.

Hoher moralischer Preis

Ist das der Preis den wir zahlen müssen, wenn wir Schokolade oder andere Produkte – Kaffee, Bananen, Tee, Baumwolle  – aus diesen Ländern konsumieren? Der moralische Preis, den wir Menschen auf der Nordhalbkugel kaum wahrnehmen, weil das Geschehen viele tausend Kilometer weit weg liegt und den wir schon gar nicht am Geldbeutel spüren, weil die Tafel konventionelle Schokolade im Discounter für unter 50 ct über den Ladentisch geht?

Fragen, die sich auch die Gründer von Fairtrade International gestellt haben, als sie die gemeinnützige Organisation vor rund 30 Jahren gründeten und seither nach Lösungsansätzen für Bauern und Plantagenarbeiter in den Anbauländern suchen. Ein Lösungsweg sind kleinbäuerliche Strukturen in genossenschaftlichem Zusammenschluss, denn diese sind – im Gegensatz zu großen Agrarstrukturen mit Großgrundbesitzer als Eignern – die Besitzform, die eine gerechte und nachhaltige, also dauerhafte und schonende Bewirtschaftung des Landes ermöglichen.

„Fairtrade ist aber mehr als nur ein angemessener Preis für die Bauern“, betont Birgit Mayer. Es gehe mehr denn je um gute Arbeitsbedingungen und gen- und schadstofffreien Anbau in diesen Ländern, also um soziale, ethische und moralische Standards. Kooperationen, also Genossenschaften, die unter dem weltweit verbreiteten Label „Fairtrade“ produzieren müssen diese Standards einhalten und werden regelmäßig kontrolliert. Die Arbeit von Kindern ist beispielsweise nur erlaubt, wenn diese gleichzeitig die Möglichkeit haben, regelmäßig eine Schule zu besuchen. „Wir wollen die sogenannte  ausbeuterische Kinderarbeit unterbinden“, sagt Birgit Mayer zu einem der wichtigsten Ziele, die sich die Non-Government-Organisation – Nicht-Regierungsorganisation – (NGO) zum Ziel gesetzt hat. Zudem bekommen die Kleinbauern, die im Durchschnitt 1-2 ha Land bewirtschaften extra Zahlungen, wenn sie ihren Betrieb auf ökologische Anbaumethoden umstellen. Beschlüsse in der Kooperative, in der die Kleinbauern zusammengeschlossen sind werden demokratisch beschlossen, die Gleichstellung von Mann und Frau gefördert. So sehen es die Fair-Trade-Standards vor. „Es geht um ein soziales, ökologisches und ökonomisches Zusammenspiel um tragfähige Strukturen in diesen Ländern langfristig zu etablieren“, sagt Mayer. Und dabei müssten die Konsumenten mitmachen.

Auch in Sigmaringen kann das kommen.  „Wir könnten Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems“, sagt Silvia Bregenzer, Sprecherin der Lenkungsgruppe „Fairtrade-Stadt“, die eine der Hauptaussagen von Fairtrade aufgreift. Die Gruppe, die sich aus 6 Personen aus der Verwaltung, dem Handel und der Zivilgesellschaft zusammengefunden hat, tagt seit einigen Monaten und hat das erklärte Ziel, Sigmaringen zum Fair-Trade-Town zu machen.

Positives Image für die Stadt

Aber was bringt der Stadt ein „Fairtrade-Stadt“-Label? „Eine ganze Menge“, glaubt Birgit Mayer. Sie erwähnt das positive Image und die Vernetzung von Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft. Das Gewerbe könne mit diesem Aushängeschild zeigen, dass es Verantwortung übernimmt und so damit werben. Schließlich würden die Geschäfte, die sich beteiligen, von der Bevölkerung positiv wahrgenommen. „Das Thema fairer Handel und Verantwortung ist für viele Menschen inzwischen sehr wichtig beim Einkauf“, sagt Mayer. Erfahrungen aus anderen Städten, wie Ravensburg oder Balingen, die bereits eine zertifizierte Fairtrade-Stadt sind, würden das zeigen.

„Sigmaringen ist gar nicht weit weg von einer Zertifizierung“, war die einhellige Meinung der Lenkungskreismitglieder. Eine Stadt dieser Größe mit 17000 Einwohnern muss in vier Geschäften und zwei Gastronomiebetrieben Fair-Trade-Produkte anbieten. Also zum Beispiel fair gehandelten Kaffee oder Tee ausschenken oder fair angebaute Blumen oder Textilien verkaufen. In der Gastronomie und dem Handel reichen je zwei Produkte im Sortiment. Zudem muss eine Schule im Stadtgebiet mitziehen (mit der Liebfrauenschule als zertifizierte Fairtrade-Schule – übrigens als eine von 540 Fair-Trade-Schulen in Deutschland – ist dies schon gewährleistet), ein Verein und die Kirchen. Auch hier sind die Bedingungen erfüllt, sowohl die Kolpingsfamilie als Verein und die katholische als auch die evangelische Kirche tragen hier bereits Verantwortung und schenken in ihren Begegnungsstätten und bei Veranstaltungen nur fair gehandelten Kaffee aus.

Bleibt die Stadtverwaltung, die sich verpflichten muss bei Ratssitzungen auch fair gehandelte Produkte anzubieten. „Die Aufgabe, die Bedingungen zu erfüllen eine Fairtrade-Stadt zu werden sind überschaubar“, glaubt Silvia Bregenzer von der Lenkungsgruppe. Sie sieht die Chancen gut, dass Sigmaringen zur Fairtrade-Stadt wird und damit mit anderen 570 Städten in Deutschland gleichzieht und sein Image aufbessert. Der nächste Schritt ist ein Treffen mit Bürgermeister Ehm Anfang Dezember, ein Antrag soll danach in den Stadtrat eingebracht werden. Dann wird sich zeigen, ob Sigmaringen Teil der Lösung wird oder Teil des Problems bleibt.

www.fairtrade-towns.de